Das Krankheitsbild und seine Auswirkungen
Begriffe
Die familiäre Hypophosphatämie ist auch bekannt unter der Bezeichnung Phosphatdiabetes oder
X-chromosomal erbliche hypophosphatämische Rachitis.
Es handelt sich hierbei um eine komplexe Erkankung, die sowohl die Knochen, die Zähne als auch die Funktion der Nieren (Phosphatverlust und verminderte Produktion von aktivem Vitamin D) betrifft. Die Festigkeit unserer Knochen wird vor allem durch die Verbindung der Grundsubstanzen Phosphat und Kalzium, die wir mit der Nahrung aufnehmen, bestimmt. Die Aufnahme, der Einbau in den Knochen und die Ausscheidung dieser Substanzen wird vor allem durch das Parathormon und das Vitamin D gesteuert.
Vitamin D
Vitamin D wird sowohl in der Haut durch Sonneneinstrahlung gebildet, als auch mit der Nahrung zugeführt. Beim Fehlen von Vitamin D kommt es zu einer Knochenerweichung und im Kindesalter zu einer Wachstumsstörung. Normalerweise wird Vitamin D in der Niere in eine noch wesentlich aktivere Form, das Calcitriol, das auch als Medikament zur Verfügung steht, umgewandelt. In zu hoher Dosierung kann Calcitriol aber auch zu Schädigungen führen. Eine Rachitis kann auch entstehen, wenn diese Umwandlung gestört ist - in einem solchen Fall ist zwar genügend Vitamin D vorhanden, aber keine ausreichende Menge seiner aktivierten Form.
Phosphatverlust durch die Niere
Die familiäre Hypophosphatämie ist eine Stoffwechselkrankheit, bei der das Phosphat durch die Nieren verloren geht und somit für den Knochenaufbau fehlt. Der Phosphatmangel führt zur Verbiegung und Verdrehung der Ober- und Unterschenkelknochen und ruft Gelenkschmerzen primär in den Beinen hervor. (Es entstehen also ähnliche Symptome wie bei einer Vitamin-D Mangelrachitis.)
Nebenschilddrüsen
Die wichtigste Aufgabe, dem Körper das lebenswichtige Kalzium für die verschiedensten Aufgaben im Stoffwechsel zur Verfügung zu stellen, haben die Nebenschilddrüsen. Zusammen mit der Phosphatzufuhr kann die Kalziumkonzentration im Blut abfallen. Diese verminderte Kalziumkonzentration bedingt die Freigabe eines Hormons der Nebenschilddrüsen, des Parathormons (=PTH) in die Blutbahn. PTH löst im Knochen die rasche Freisetzung von Kalzium aus. Dieser gut geregelte Mechanismus kann bei unzureichender Calcitrioldosis gestört sein. Es ist daher wichtig, beide Medikamente (Calcitriol und Phosphat) zu geben.
Verbreitung
In Deutschland sind nur einige hundert Patienten mit Phosphatdiabetes bekannt. Viele medizinische Zusammenhänge vor allem im genetischen Bereich sind daher noch nicht ausreichend erforscht.
Wachstum und Erwachsenengröße
Bereits in den ersten Lebensmonaten ist eine verminderte Wachstumsrate festzustellen. Durch den beeinträchtigten Knochen-Stoffwechsel erreichen die Patienten häufig nicht die normale Körpergröße. Sie können deutlich kleiner als ihre Eltern bleiben.
Orthopädische Auswirkungen
Bei Patienten mit Phosphatdiabetes sind die Ober- oder Unterschenkel oft in starker X- oder O-Beinstellung gebogen und häufig auch nach innen verdreht (Watschelgang). Im Kindesalter kann sich diese Verformung bei frühzeitiger Erkennung und richtiger medikamentöser Behandlung auch zurückbilden. Bei schwerwiegenden Fehlstellungen müssen diese Deformationen operativ korrigiert werden. In vielen Fällen ist es möglich, bei jungen Kindern mit einer kleinen Operation eine langsame Ausgradung der Beine zu erzielen. Nur bei guter Phosphat- und Calcitrioltherapie ist ein bleibender Operationserfolg möglich. Ohne diese Medikamente bilden sich die Verkrümmungen mit großer Wahrscheinlichkeit erneut aus. Auch bei sehr guter Zusammenarbeit zwischen den Endokrinologen und den Kinderorthopäden lässt sich nicht ausschließen, dass im Laufe des weiteren Wachstums noch einmal eingegriffen werden muss. Wenn die Kinder erwachsen sind, ist es notwendig, dass die Beinverkrümmungen möglichst ausgeglichen sind, da sonst ein vorzeitiger Verschleiß droht.
Zahn- und Kieferprobleme
Phosphatdiabetes-Patienten können eine gestörte Schmelz- und Dentinentwicklung der Milch- und der bleibenden Zähne aufweisen. Häufig werden Fisteln und entzündliche Veränderungen der Zahn-Wurzelspitzen mit Vereiterungen im Kiefer beobachtet, ohne dass ein Kariesbefall klinisch diagnostiziert werden kann. Unter Umständen können die betroffenen Zähne verloren gehen, wenn keine adäquate zahnärztliche Therapie möglich ist (z.B. Wurzelkanalbehandlung, Stiftaufbau, Krone). Da diese Komplikationen auch ohne sichtbare Karies bei jungen Patienten auftreten können, ist neben sehr gründlicher Zahnpflege eine engmaschige zahnärztliche Betreuung notwendig. Hierbei muss außer auf kariöse Schädigungen auch auf parodontale Veränderungen geachtet werden. Grundsätzlich gilt, dass eine prophylaktische Behandlung aller Zähne vom Kindesalter an indiziert ist.
Vererbung der familiären Hypophosphatämie
Die Krankheit wird durch eine X-chromosomal dominant vererbbare genetische Störung hervorgerufen. Ursache ist dabei eine angeborene Veränderung des so genannten PHEX-Gens, das auf dem X-Chromosom lokalisiert ist. Bei einer Erkrankung des Vaters sind alle Töchter ebenfalls von dieser Erkrankung betroffen, während die Söhne alle gesund sind. Ist die Mutter erkrankt, vererbt sie den Phosphatdiabetes sowohl auf die Hälfte der Töchter als auch auf die Hälfte der Söhne. Das Gen ist im Knochen und in den Nebenschilddrüsen wirksam. Es wird vermutet, dass das Genprodukt ein Enzym ist, welches andere Eiweißmoleküle spaltet und damit ihre Wirkung auf Nierentubulus oder Knochen beeinflusst. Der Gendefekt führt zu einem Phosphatverlust des Organismus über die Niere und einer gestörten Funktion der Knochenzellen (Osteoblasten) und der Zähne. Im Blut kommt es dadurch zu einem Ungleichgewicht zwischen Kalzium und Phosphat, der Knochenstoffwechsel wird gestört. Aus dieser Störung wiederum resultiert eine Knochenerweichung mit Knochenverbiegungen, insbesondere der Beine. Eine Heilung ist also nicht durch eine Nierentransplantation zu erreichen.
Frühdiagnostik
Wenn nicht schon eine elterliche Vorbelastung besteht, wird die Krankheit meist erst im 2. Lebensjahr erkannt. Das Kind fällt in der Vorsorgeuntersuchung beim Kinderarzt durch vermindertes Wachstum (meist unter der 3. Perzentile) und Knochenverbiegung auf. Durch Blut- und Urinuntersuchungen, aber auch durch einen Gentest und eine Röntgenaufnahme lässt sich die Diagnose präzisieren.
Medikamentöse Therapie
Die familiäre Hypophosphatämie sollte möglichst vom frühen Kindesalter an medikamentös behandelt werden. Durch eine angepasste Phosphatzufuhr, die weit über den üblichen Tagesbedarf hinausgeht und durch Gabe von aktiviertem Vitamin D kann eine Rachitis verhindert und das Wachstum positiv beeinflusst werden. Genau dosiert und möglichst häufig und gleichmäßig über den Tag verteilt verabreichte Phosphatgaben können den Verlust teilweise ausgleichen. Sowohl eine zu hohe, als auch zu niedrige Dosierung von Phosphat und Vitamin D ist schädlich. Die Dosierung erfolgt individuell abgestimmt und orientiert sich am Körpergewicht. Ein wichtiger Grundsatz ist auch, die Gabe beider Medikamente zu unterbrechen, wenn Bettruhe eingehalten werden muss (z.B. Operation, akute andere Krankheiten). Der Grund liegt darin, dass - auch beim Gesunden - während der Bettruhe immer Knochenmasse abgebaut wird und der Kalziumspiegel dann rasch ansteigt. Darüber hinaus sollte auf eine ausreichende Trinkmenge (mehr als 1 Liter pro Tag) geachtet werden.
Blut- und Urinuntersuchung
Zur Kontrolle der medikamentösen Therapie sollten in regelmäßigen Zeitabständen unter vergleichbaren Bedingungen Blut- und Urinuntersuchungen durchgeführt werden. Bestimmt werden dabei das Serum-Kreatinin, der Kalzium-Kreatinin-Quotient im Urin, die alkalische Phosphatase, die Spiegel von Serum-Phosphat und Serum-Kalzium und das Parathormon. Aus diesen Ergebnissen lässt sich zum einen die Güte der medikamentösen Einstellung beurteilen, zum anderen können Fehlentwicklungen erkannt werden.
Behandlung nach Ende der Wachstumsphase
Der Knochenstoffwechsel unterliegt einem ständigen Auf- und Abbau der Knochensubstanz. Bei fehlender Phosphatgabe im Erwachsenenalter kann dies zu einer Verringerung der Knochenmasse und einer Instabilität des Knochengerüstes führen. Der Ausprägungsgrad der Erkrankung kann innerhalb einer Familie sehr unterschiedlich sein. So kann eine Fortsetzung der Behandlung nach Abschluss des Wachstums notwendig sein, um Knochen-, Sehnen- und Gelenkerkrankungen vorzubeugen oder günstig zu beeinflussen.
Wachstumshormon
Die eingeschränkte Phosphatrückresorption aus den Nieren und der Kleinwuchs können nach ersten Ergebnissen aus klinischen Studien durch die zusätzliche Gabe von Wachstumshormon günstig beeinflusst werden. Empfehlungen sind jedoch zur Zeit noch nicht möglich, da wichtige Studienergebnisse zum Knochenstoffwechsel und zur Endlänge noch nicht vorliegen.
Unerwünschte Nebenwirkung der medikamentösen Therapie
Nierenverkalkung (Nephrokalzinose)
Als Nebenwirkung der Phosphat- und Calcitrioltherapie wird bei ungefähr der Hälfte der Patienten im Ultraschall eine Nierenverkalkung nachgewiesen. Es bilden sich nicht mehr aufzulösende Kristalle, die sich in den Nieren ablagern. Im Ultraschallbild ist der Grad der Nierenverkalkung feststellbar. Komplikationen einer geringgradigen Nierenverkalkung sind nicht bekannt. Ausgeprägte Formen können jedoch Bluthochdruck verursachen oder die Filterwirkung der Nieren beeinträchtigen. Um diese Komplikation möglichst gering zu halten, sollte die Phosphat- und Calcitrioltherapie genau dosiert und durch Urin- und Blutwerte kontrolliert werden.
sorry so ne menge medizin
hoffe mal du bist nicht betroffen